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Seit wann sind Sie für die [GVU](/company/gvu-gesellschaft-zur-verfolgung-von-urheberrechtsverletzungen-ev) tätig, und was waren für Sie und Ihre Kollegen die Gründe, aus einem sicheren Beamtenverhältnis zur GVU zu wechseln?
Für die GVU arbeite ich inzwischen seit 14 Jahren. Zuvor war ich Kriminalhauptkommissar in Berlin. Die Motivlage war bei uns allen sehr ähnlich: mangelnde Aufstiegschancen und eine allgemeine Unzufriedenheit mit dem Polizistenjob. Bereut hat den Wechsel keiner.

Warum ist es nahezu zwingend, dass GVU-Ermittler aus Ex-Polizeibeamten rekrutiert werden?
Kriminalistischer Sachverstand ist sicher eine solide Grundlage für die Arbeit eines GVU-Ermittlers. Denn gemäß unserer Satzung sollen wir den Ermittlungsbehörden sachgerechte Beweisunterlagen übergeben, die einer gerichtlichen Überprüfung stand halten.


Wie sieht Ihr Alltag aus?
Unsere Arbeit teilt sich in administrative und operative Tätigkeiten auf. Erstere sind natürlich nicht so spannend, und den Zeitaufwand dafür halten wir möglichst gering, so dass die operativen Tätigkeiten unseren Arbeitsalltag bestimmen. Die Ermittler sind dezentral organisiert und betreuen jeweils ein spezielles Gebiet der Bundesrepublik. So genannte Routinefälle werden von ihnen eigenständig bearbeitet. Bei größeren Fällen bilden wir Teams, ähnlich einer Sonderkommission bei der Kripo.

Wie gelangen Sie an Informationen, die Sie zu verdächtigen Handlungen oder Personen führen?
Zum einen wird die GVU informiert. Die Qualität dieser Informationen ist sehr unterschiedlich: Sie reicht von simplen Andeutungen, dass irgendwo etwas passiert sein könnte, bis zu sehr detaillierten Angaben. Der Großteil unserer Erfolge basiert jedoch auf eigenen Erkenntnissen. Dass wir zuletzt Releasegroups lahm legen konnten, hat auch damit zu tun, dass wir bereits vor sieben Jahren begonnen haben, uns schlau zu machen, welche Möglichkeiten das Internet bietet. So haben wir frühzeitig erkannt, dass das weltumspannende Netz völlig neue Herstellungs- und Verbreitungsansätze für Raubkopien ermöglicht.


Haben Sie genauere Erkenntnisse über den "beruflichen Werdegang" von Raubkopierern?
Man kann prinzipiell zwei Gruppen unterscheiden: Zum einen gibt es den "klassischen" Kriminellen, der aus einem kriminellen Umfeld stammt. Über die Jahre begegnen wir dem einen oder anderen notorischen Wiederholungstäter auch immer wieder. Eine andere Gruppe besteht aus - wie wir sie nennen - "Amiga Kids". Das sind Raubkopierer, die zunächst mit einem sportlichen Ehrgeiz an die Sache herangegangen sind und dann allmählich in die Illegalität abdriften. Dabei handelt es sich um extrem technisch versierte Personen, die uns die Enttarnung besonders schwer machen.

Wie weit kann die GVU bei ihren Ermittlungen gehen?
Um es klipp und klar zu sagen: Die GVU hat überhaupt keine Befugnisse - oder nur so viele wie jeder andere Bürger auch. Würden wir Telefone abhören oder eigenständig Lagerräume durchsuchen, wären wir sofort selbst Straftäter. Die GVU kann ausschließlich nach rechtsstaatlichen Spielregeln vorgehen, die wir selbstverständlich einhalten. Das ist auch gut so, denn würden die Spielregeln nicht für uns gelten, würden andere sie auch nicht beachten, und wir hätten keinen Rechtsstaat.


Zu den Spielregeln gehört, dass die GVU Richter und Staatsanwälte davon überzeugt, dass überhaupt kriminelle Delikte vorliegen. Ist das im Lauf der Jahre einfacher geworden?
Ja und nein. Es ist einfacher geworden, weil bei vielen Behörden bekannt ist, dass wir in der Regel hieb- und stichfestes Beweismaterial abliefern. Gerichtsverwertbares Material zu übergeben ist schließlich unsere tägliche Aufgabenstellung. Aktuell kann es schwierig sein, einem 60-jährigen Staatsanwalt, der kurz vor der Pensionierung steht, erst erklären zu müssen, was überhaupt ein illegaler Server ist. Das ist ein Generationenproblem. Dass mit Aufkommen des Internets neue Formen der Wirtschaftskriminalität entstanden sind, muss von der Gesellschaft auch erst einmal wahrgenommen werden. Diese Wahrnehmung entsteht bei den polizeilichen Ermittlungsbehörden, wenn beispielsweise die GVU zu einem bestimmten Delikt massenhaft Strafanträge stellt. Dann sagen sich die Behörden: Okay, da müssen wir tätig werden. Insofern trägt die GVU auch zu einer Bewusstseinsveränderung bei Ermittlungsbehörden bei.


Hausdurchsuchungen genehmigt zu bekommen ist eine Sache, die Verurteilung und das Strafmaß eine andere. Wie beurteilen Sie das Verhalten der Gerichte?
2003 hatten wir einen Fall, als jemand zu drei Jahren ohne Bewährung verurteilt worden ist. Ich denke, ein solches Urteil trägt stark zur Abschreckung bei. Insgesamt beobachte ich, dass die Gerichte tendenziell zu einem höheren Strafmaß neigen. Natürlich kann bei einem Richter wie bei einem Staatsanwalt im Einzelfall das Verständnis für die technische Seite fehlen. Hausdurchsuchungen sind übrigens immer nur ein erster Zwischenschritt, und sie können nach unserer Gesetzeslage ebenso zur Entlastung eines Verdächtigen beitragen.


Trotz Gefängnisstrafen ist nicht abzusehen, dass Piraterie überhaupt jemals vollständig besiegt wird. Zermürbt das nicht?
Wenn dem so wäre, gäbe es keine Polizei mehr. Es ist doch immer so, dass sich Nachfolger finden, die ein illegales Geschäft weiterbetreiben wollen. Zu glauben, man könnte ein bestimmtes Delikt vollständig eindämmen, ist naiv. Bei jedem unserer Fälle gehen die Ermittlungen weiter, die uns zu neuen Tätern führen. Ein Nebeneffekt unserer Arbeit ist, dass viele Täter, die sich zum ersten Mal vor Gericht verantworten müssen, nie wieder auftauchen. Ich glaube ebenso, dass die März-Aktionen dazu führen, dass einige Szenemitglieder, die wir jetzt nicht enttarnt haben, von sich aus aufgeben. Die anderen, die meinen, sie wären schlauer als die jetzt entdeckten, werden wir aufspüren. So ist das Spiel, und daran ist nichts zermürbend.


Woher kommt Ihre Motivation?
Richtig ist, dass der Zwölf-Stunden-Tag für uns die Regel ist und der 14-Stunden-Tag keine Ausnahme. Letztlich kann ich nur sagen, dass der Ehrgeiz, unglaublich konspirativ arbeitende Banden zu entdecken, bei uns sehr ausgeprägt ist. Ohne die Problematik angesichts der wirtschaftlichen Schäden verharmlosen zu wollen: So wie Täter bemüht sind, nicht enttarnt zu werden, so wird auch jeder Kriminalist bei der Ehre gepackt, auf der anderen Seite dagegenzuhalten. Wir identifizieren uns mit der GVU, und Erfolge wie im März motivieren jeden Ermittler zusätzlich.


Wie sehen Sie das Bild der GVU in der Branchenöffentlichkeit? Wie gehen Sie mit der Kritik um, die GVU sehe dem Raubkopierertreiben tatenlos zu?
Manchmal fehlt das rechte Augenmaß für unsere Arbeit, manchmal fehlt es auch an Sachverstand. Da wird schon mal mit viel Ungeduld ein Aktionismus gefordert, der der Sache nicht immer dienlich ist. Das Problem war in der letzten Zeit, dass wir nicht zu viele Personen in Ermittlungsabläufe einweihen konnten, ohne unsere Arbeit zu gefährden. Das führte schon einmal zu Missverständnissen. Und kriminalistische Ermittlungsarbeit hat immer mehrere schlecht kalkulierbare Zeitfaktoren - nur einer davon ist der Täter.

GVU-Chefermittler Bernd Kulbe