Blickpunkt:Film

Film

Sie sind seit drei Jahren Leiter des Filmfests. Was hat sich in dieser Zeit verändert?
Die Veränderungen sind ein laufender Prozess. Meine Grundidee war es, das Festival publikumsfreundlicher, übersichtlicher und internationaler zu gestalten. Obwohl das Festival ja 21 Jahre lang erfolgreich gelaufen ist, wurden diese Veränderungen insgesamt sehr positiv aufgenommen. So ist zum Beispiel die Verkleinerung der TV-Reihe von allen begrüßt worden, auch von den TV-Produzenten. Wir haben viele Kleinigkeiten verändert, zum Beispiel mehr Gelegenheiten für das Publikum geschaffen, mit den Regisseuren in Kontakt zu treten. Auf lange Sicht bräuchten wir ein Festivalzentrum mit einem echten Premierenkino, wie es einer bedeutenden Filmstadt würdig ist, beispielsweise im Forum am Deutschen Museum. Wir liegen mit unserer Tendenz richtig und auch mit der Geschwindigkeit, in der wir Dinge verändern. Wir werden immer mehr neue Ideen ausprobieren. Die Tendenz, eine größere Publikumsnähe zu den Kreativen herzustellen und das Filmfest zu einer noch besseren Vermarktungsplattform für Filme zu machen, wird aufgehen.


Wie gelingt Ihnen der Spagat zwischen Publikumsfestival und Branchenevent?
Es ist keine Zweiteilung, sondern eine Gleichzeitigkeit. Für die World-Sales-Firmen, Produzenten, Fernsehredakteure und Verleiher ist sehr wichtig, dass hier ein anspruchsvolles, gut gelauntes Publikum ist, das die Säle füllt. Leute, die sowohl in Experimentalfilme als auch in Blockbuster gehen - ein ideales Testpublikum. Die gute Atmosphäre des Festivals überträgt sich. Im Idealfall entwickelt ein Festival eine Stimmung, die die Leute in einen Rauschzustand versetzt. Das Publikum profitiert wiederum davon, dass die Filmwirtschaft auf dem Festival präsent ist. Käme die Branche nicht auf ihre Kosten, würde das Publikum keine interessanten Filme mehr zu sehen bekommen. Ich glaube, dass wir da einen idealen Spagat hinbekommen haben.


Warum sollte man als deutscher Regisseur oder Produzent seinen Film in München einreichen?
Wenn ein Film den Regularien für den Förderpreis Deutscher Film entspricht, ist die Antwort klar. Schließlich ist der Förderpreis einer der besten und wichtigsten Nachwuchspreise. Die Frage stellt sich daher eher, warum jemand einen Film einreicht, wenn er nicht für den Förderpreis in Frage kommt. Darum freut es mich besonders, dass Leute wie [Rudolf Thome](/person/rudolf-thome) und [Hans Steinbichler](/person/hans-steinbichler) ihre Filme einreichen. Das ist ein Zeichen von Wertschätzung oder auch einer emotionalen Anhänglichkeit und Treue. In der Regel haben aber die Rechteinhaber der Filme das letzte Wort, wo ein Film eingereicht wird. Sie setzen auf die filmwirtschaftliche Funktion, die das Filmfest hat. Schließlich kommen viele Einkäufer und Fernsehredakteure und Leute aus dem Ausland nach München. Die Möglichkeit, hier einen Film zu vermarkten, sind sehr gut. Das wollen wir in Zukunft noch besser herauskehren. Es hat sich gezeigt, dass wir einen enormen Anstieg an Filmeinreichungen aus einem Land verzeichnen, wenn aus dieser Region im Vorjahr viele Filme an deutsche Verleiher verkauft wurden.


Nach neun Jahren eröffnet das Festival wieder mit einem deutschen Beitrag, mit Hans Steinbichlers "[Winterreise](/movie/winterreise)".
Mir ging es dabei nicht etwa um einen München-Bezug durch Steinbichler und [Josef Bierbichler](/person/josef-bierbichler). Wenn der Film nicht wirklich gut wäre, hätten wir ihn nicht ausgewählt. Die Wahl von "Winterreise" war keine leichte, aber eine sehr bewusste Entscheidung, da wir uns damit natürlich um die Möglichkeit ärmer machen, internationale Stars zur Eröffnung auf die Bühne zu holen. Doch der Film ist es wert.
Kapellmeister, nicht Solist
Ein großes Kompliment für einen Regisseur, der erst seinen zweiten Film präsentiert.
Vor allem, da viel mehr internationales Publikum zur Eröffnung kommt als früher. Abgesehen von den Gästen und Besuchern, die ohnehin kommen, begrüßen wir 100 offizielle ausländische Gäste, die von German Films beziehungsweise dem Auswärtigen Amt eingeladen werden.


Wie leicht fällt dem Filmfest die Beschaffung der Filme? An deutschen Kinofilmen hatten Sie ja offenbar genug Auswahl.
Absolut. Wir hätten die Reihe auch doppelt so groß machen können. Die deutsche Kinoreihe ist eine begehrte Plattform. Sie ist keine Sektion, die den Zustand des deutschen Films abbilden will. Stattdessen setzt sie darauf, neue Talente zu entdecken und neue Handschriften zu finden. Die Fernsehreihe ist auch sehr beliebt, insbesondere durch die Verknappung des Programms. Dadurch ist die Aufmerksamkeit für jeden einzelnen Film umso höher. Jeder Beitrag der Fernsehreihe ist ein ganz außerordentliches künstlerisches Produkt. Wäre das nicht so, würden wir ihn nicht zeigen. Nur so wird man dem, was in Deutschland an hervorragenden Fernsehfilmen produziert wird, auch gerecht. Es muss einen besonderen Grund geben, den Film vor seiner Ausstrahlung auf der großen Leinwand zu zeigen. Ausschlaggebend kann zum Beispiel auch eine neue Erzählform sein, wie in diesem Jahr bei der Miniserie "Blackout".


Wie sah es bei den internationalen Beiträgen aus?
Im Großen und Ganzen haben wir bekommen, was wir wollten. Es gibt natürlich immer wieder Filme, die wir nicht bekommen. Etwa weil ein Film einen deutschen Verleih hat, der den Film erst sehr viel später herausbringen will. Oder es ist ein Beitrag aus Cannes, über dessen Rechte noch verhandelt wird beziehungsweise bei dem die Verwertungsstrategie noch nicht festgelegt wurde. Sehr selten passiert es auch, dass uns ein anderes Festival einen Film wegnimmt.


Was zieht Kreative und Branche nach München?
Wir sind ein Sommerfestival und haben das Filmfest auch auf Sommer, Isar und Biergarten ausgerichtet. Es ist ein unglaubliches Plus, dass München im Sommer eine sehr angenehme Stadt ist. Wir können den Gästen eine sehr entspannte Atmosphäre bieten. Sie eignet sich hervorragend, um einen Regisseur mit einem filmaffinen Publikum zusammenzuführen.


Wo lässt sich in diesem Jahr speziell Ihre persönliche Handschrift erkennen?
Ich habe persönlich eine Reihe von Filmen in den diversen Reihen ausgewählt. Im Wesentlichen allein habe ich den Québec- und den Mitteleuropa-Schwerpunkt zusammengestellt, Letzteren mit Unterstützung von [Zoran Gojic](/person/zoran-gojic) und Klaus Eder. Eigentlich kann ich es mir zeitlich nicht leisten, zwei Reihen zu programmieren. Aber es ist mir sehr wichtig, selbst Filme auszuwählen, um die Bodenhaftung nicht zu verlieren. Auch bei der Wahl des Eröffnungsfilms muss ein Festivalleiter Farbe bekennen. Grundsätzlich fühle ich mich aber weniger wie ein Solist als wie ein Kapellmeister. Die wichtigste Aufgabe für mich ist es, konzeptionell zu denken. Ich muss viele Kontakte nach außen wahrnehmen, es ist sehr viel Administration und Kommunikation. Aber es ist Gott sei Dank auch inhaltliche Arbeit.

Festivalleiter Andreas Ströhl auf dem richtigen Weg

Andreas Ströhl||Seit April 2003 ist Ströhl Geschäftsführer der Internationalen Münchner Filmwochen GmbH, dem Veranstalter des Filmfests München sowie des Internationalen Festivals der Filmhochschulen in München. Zuvor leitete Ströhl die Abteilung Film und Fernsehen des Goethe-Instituts.