Blickpunkt:Film

Film

» "Revanche" ist nicht gerade der typische Auslands-Oscar-Kandidat. Was glauben Sie, warum er das Herz der Academy-Mitglieder erobert hat?


[GÖTZ SPIELMANN](/person/goetz-spielmann): Ich kann nur spekulieren. Vielleicht gefällt der Academy, dass der Film sehr komplex alte moralische Fragen stellt. Immer wieder höre ich, dass die Leute von meinem Ensemble hingerissen sind. Zudem wird häufig die ungewohnte Bildsprache des Films thematisiert. "[Revanche](/movie/revanche)" wird in den USA als sehr europäischer Film empfunden, der den Leuten aber gleichzeitig irgendwie vertraut vorkommt. Es muss wohl eine Mischung sein aus fremd und vertraut.


» Hat der Oscar für "Die Fälscher" im Vorjahr womöglich die Aufmerksamkeit für den österreichischen Film in den USA geschärft?


Es ist ja nicht nur [Stefan Ruzowitzky](/person/stefan-ruzowitzky). Österreich hat einfach eine sehr lebendige Filmszene, die schon seit einiger Zeit eine gewisse internationale Aufmerksamkeit genießt. Mein letzter Film "[Antares](/movie/antares-studien-der-liebe)" wurde in den USA auch schon sehr gut aufgenommen, auch wenn es in der Academy heftige Diskussionen gab wegen der Sexszenen. Es werden auch Filme wahrgenommen, die am Ende nicht auf irgendwelchen Listen stehen.


» Beobachten wir derzeit so etwas wie eine "Nouvelle Vague" Österreichs?


Ein einheitliches Label passt nicht, denn das Erstaunliche ist ja die Vielfalt der Filme. Seit einigen Jahren, beginnend mit [Michael Haneke](/person/michael-haneke), ist zu beobachten, dass Österreich filmkünstlerisch ein sehr reiches Land ist. Obwohl die Möglichkeiten begrenzt sind, weil wir ein kleines Land sind, und ja nur sehr wenige Spielfilme pro Jahr gedreht werden.


» Wie finden Sie Ihre Geschichten?


Das Finden von tragkräftigen Ideen ist der schwierigste und anstrengendste Prozess. Es beginnt damit, aufmerksam durchs Leben zu gehen. Ich sammle kleine Ideen, Beobachtungen und Bilder. Die Arbeit am Schreibtisch besteht dann darin, das Gesammelte zu verdichten und auf den Punkt zu bringen, sodass dann irgendwann der Blitz einschlägt und ich weiß: Das wird mein nächster Film.




» Woher kommt Ihre Liebe zu Underdogs?


Mich interessieren nicht gesellschaftliche, sondern existenzielle Fragen im weitesten Sinn. In gesicherten Lebensumständen, wie in gutbürgerlichen Milieus, sind diese Fragen sehr viel verborgener als an den Rändern der Gesellschaft. Letztere sind für mich die interessanteren Milieus. Das, was das Leben letztlich ausmacht, wird dort sichtbarer - im Guten wie im Schlechten.


» Bemerkenswert ist Ihre sensible Annäherung an die Figuren.


Auch ein Mörder hat Sehnsüchte. Natürlich tun Menschen schreckliche Dinge, gibt es gravierende Probleme in der Gesellschaft. Das soll in meinen Filmen auch vorkommen. Doch mein Antrieb ist es, mich in der verborgenen Tiefe des Erzählten mit dem Leben selbst auseinanderzusetzen.


» Das tun Sie auf stilistisch sehr ansprechende Weise.


Die Form treibt mich an, ich erforsche sie mit großer Neugier und Konzentration und versuche, immer genauer und persönlicher zu werden. Das Persönliche ist nicht unbedingt das Ungewöhnliche, es kann ganz schlicht daherkommen. Einen persönlichen, einfachen Stil zu finden, ist das das Schwierigste im Film, vielleicht in der Kunst überhaupt.


» Wird es durch die Nominierung leichter, den nächsten Film auf die Beine zu stellen?


Das glaube ich schon. Allerdings wird die schwierigere Aufgabe nicht sein, den Film zu finanzieren, sondern ihn zu finden. Bei meinen letzten beiden Filmen war die Finanzierung bereits gar nicht so schwierig, wobei
ich natürlich auch Filme mit überschaubaren Budgets mache. "Revanche" ist unter den fünf nominierten Filmen mit zwei Millionen Euro mit Sicherheit der mit dem kleinsten Budget. Da staunen andere Produzenten oft, dass man mit diesem Budget eine so hohe handwerkliche Qualität erzielen kann. Das funktioniert, weil ich mit ganz tollen Leute arbeite und wir gelernt haben, effektiv und präzise mit den Mitteln umzugehen, die uns zur Verfügung stehen.


» Hätten Sie Interesse daran, einmal in den USA zu arbeiten?


Es kommt immer auf das Projekt an. Viele Europäer machen den Fehler, in Hollywood alles zu machen, was sie kriegen können, nur um dort einen Film zu machen. Das interessiert mich nicht.


Doch wenn es ein Projekt gibt, das ich spannend und richtig finde und bei dem ich meine künstlerische Haltung zum Ausdruck bringen kann - warum nicht?

"Diskussionen wegen der Sexszenen"