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Blickpunkt:Film: Nach "[Brother](/movie/brother)", dem Ausflug in die brutale Yakuza-Welt, ist "Dolls" ein fast meditativer Film.

Takeshi Kitano: Ich habe schon mit "[Kikujiros Sommer](/movie/kikujiros-sommer)" bewiesen, dass ich mehr kann, als nur düstere Yakuza-Welten zu zeichnen. Aber "Dolls" wirkt nur vordergründig wie eine Liebesgeschichte. Ich variiere meine Betrachtung über den Tod, die schlimmste Form von Gewalt. Gerade die Verbindung zwischen ultimativer Liebe und Tod fasziniert mich, weil in der westlichen Welt und in Japan romantische Liebe verklärt und das Sterben verdrängt wird.

BF: Geht es nicht auch um tiefe Gefühle, um Obsessionen?

TK: Da bin ich mir nicht so sicher. Alle Figuren sind selbstsüchtig, konzentrieren sich auf ihr Ego und ihre Wünsche. Zur wahren Liebe gehört Interaktion.

BF: Warum stehen Sie erstmals seit sechs Jahren nur hinter und nicht auch vor der Kamera?

TK: Ich wusste, der Film würde ein visuelles Experiment, eine große Herausforderung sein. Da wollte ich mich nicht noch als Schauspieler verzetteln.

BF: Wie haben Sie das Farbkonzept entwickelt?

TK: Es machte mir Spaß, in den Farbtopf zu greifen - allein schon um der gängigen Meinung zu widersprechen, ich würde nur monochrom grau-braune Töne einsetzen. Die Beziehung zum Bunraku-Theater eröffnet ganz neue Farbstilisierungen. Es gibt keine künstlichen Farben, sondern natürliche, weil der Wechsel zwischen den Jahreszeiten eine große Rolle spielt. Im Nachhinein eine komplizierte Angelegenheit. Die Natur spielte verrückt, wahrscheinlich wegen des Treibhauseffekts. Die Jahreszeiten begannen zwei Wochen später als erwartet. Unser ausgetüftelter Drehplan geriet völlig durcheinander, wir mussten improvisieren und rasend schnell reagieren. Die roten Ahornblätter strahlen nur an wenigen Herbsttagen diese Intensität aus und auch bei Kirschblüten muss man den richtigen Zeitpunkt erwischen.

BF: Zum zweiten Mal arbeiteten Sie mit Modemacher Yohi Yamamoto zusammen.

TK: Als er mir die ersten Entwürfe präsentierte, hielt ich ihn für verrückt. Ich hatte wieder mit gedeckten Farben gerechnet und er überraschte mich mit einem knallroten Gewand. Er bat mich, ihn seine eigene Modenschau machen zu lassen. Nach dem ersten Schock freundete ich mich mit der Idee an. Yamamoto beeinflusste die Form der Visualisierung, seine Kostüme prägen den Film. Meine vorherigen Filme definierten sich zuallererst über den Plot, hier stehen die Eindrücke der Jahreszeiten im Vordergrund.

BF: Wie kam der Filmscore zustande?

TK: Ich habe Joe Hisaishi, zum siebten Mal bei mir im Team, diesmal viel abverlangt. Bei einem so stark auf Bildkompositionen ausgerichteten Film ist es schwierig, die adäquate Musik zu komponieren. Nach den ersten Mustern änderte ich das Konzept, die Arbeit für 40 Minuten Musik war für die Katz.

BF: Ärgert es Sie manchmal, dass Ihre Landsleute trotz allem internationalen Ruhm in Ihnen den Stand-up-Komiker sehen?

TK: Mir gefällt der Wechsel zwischen Film und TV-Comedy. Europäer und Amerikaner schätzen mich mehr als Regisseur, die Japaner als TV-Komiker. Das beeinträchtigt nicht die Ernsthaftigkeit meiner Filme. Seit dem Goldenen Löwen für "[Hana-bi](/movie/hana-bi)" 1997 bin ich aber auch in Japan einem bestimmten Publikum bekannt. Ich fühle mich wie ein Koch, der heute ein französisches Coq au vin zubereitet und morgen ein indisches Curry-Huhn. Hauptsache, beides schmeckt gut.
BF: "Dolls" ist eine rein japanische Produktion. Eine Reaktion auf die Erfahrungen beim Dreh zu "Brother" in Amerika?

TK: Ich habe mich damals nicht ins Boxhorn jagen lassen, meine eigene Crew mitgebracht und meinen Arbeitsstil nicht geändert. Ein gutes Projekt zu meinen Bedingungen würde ich auch heute nicht ablehnen. Mein Produzent hat einige US-Angebote in der Schublade, die sind jedoch nicht so gehaltvoll, dass unser Herz daran hängt.

BF: Aber die Situation des japanischen Kinos ist nicht besonders gut...

TK:...sondern relativ bescheiden. Wie in Europa dominiert der US-Film, und japanische Regisseure haben nichts Besseres zu tun, als Hollywood zu imitieren. Die Zuschauer wollen so etwas nicht sehen, gehen lieber gleich ins Original. Wir sollten uns auf unsere eigenen Stärken besinnen, unsere eigene Kultur. Mich erinnert die Produktions-Misere an japanische Touristen in Paris. Die rennen wie Lemminge in den nächsten Hermès-Shop und schmeißen sinnlos ihr Geld raus.

BF: Was steht bei Ihrer Produktionsfirma Office Kitano als Nächstes an?

TK: Wir möchten junge Talente heranziehen, egal ob aus Japan, China oder Taiwan. Ich persönlich hänge immer noch am Plan eines Samurai-Dramas, ein historisches Epos, das das Image der üblichen Samurai-Filme zerstört und wieder neu aufbaut.

Interview mit Takeshi Kitano zum Hof-Beitrag "Dolls"