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Kriegserfahrung hautnah

PREVIEW KINO: „Warfare“ von Alex Garland und Ray Mendoza

Filmemacher und Bestsellerautor Alex Garland und sein Berater bei „Civil War“, Ray Mendoza, lassen in ihrer Regiezusammenarbeit Kriegserfahrung fürs Publikum erschreckend spürbar werden - in Echtzeit und multiperspektivisch. Hier lesen Sie die Besprechung zum neuen A 24-Film, den Leonine am 17. April herausbringt.

Chris Schinke28.03.2025 13:00
Warfare
„Warfare“ Leonine

Die existenzielle Erfahrung unter feindlichem Beschuss zu stehen, wurde in der Kinogeschichte vielgestaltig inszeniert. Mal realistisch und schonungslos, mal symbolisch oder emotional distanziert. „Warfare“ von Alex Garland und Ray Mendoza, in dem das handelnde Kriegspersonal unter Dauerbeschuss steht, fällt in die Kategorie hyperrealistisch, fast schon schmerzhaft real. Die beiden Filmemacher lernten sich am Set von Garlands letztem Film „Civil War“ kennen, bei dem Mendoza aufgrund seiner Kriegserfahrung als Berater für die Choreografie von Gefechtsszenen wirkte. Garland begann sich während des Drehs für die Geschichte des Irakkrieg-Veteranen zu interessieren und die beiden entwickelten im Anschluss ein Drehbuch für den nun vorliegenden „Warfare“. Es erzählt die Geschichte eines Platoon von Navy SEALS, deren Aufklärungsmission in einem Wohnviertel der Stadt Ramadi schrecklich schiefläuft.

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Multiperspektivisch, minutiös und schonungslos zeigen Garland und Mendoza ein Kriegsgeschehen in Echtzeit, bei dem Zuschauer nicht nur das Gefühl haben, zuzusehen, sondern – hinter feindlichen Linien – selbst inmitten des Gefechts zu stehen. Die jungen Soldaten (durch die Bank toll gespielt von Joseph Quinn, D’Pharaoh Woon-A-Tai, Cosmo Jarvis, Aaron Mackenzie, Alex Brockdorff und Michael Gandolfini u.a.) sollen anfangs eigentlich nur ein benachbartes Gebäude observieren, doch die Situation im Al-Qaida-dominierten Feindesland eskaliert schnell und heftig. Beim Beschuss durch MGs und Granatwerfer gibt es unter den US-Männern einen Toten und Schwerverletzte. Sie zu bergen und den Trupp in Sicherheit zu bringen, ist der für „Warfare“ bestimmende Handlungsbogen.

Die folgenden Szenen, die Garland und Mendoza dem Publikum zumuten, sind – darauf sei ausdrücklich hingewiesen – nicht für jedermann geeignet. „Warfare“ legt einen brutalen, fast schon forensischen Realismus an den Tag. Die lebensgefährdenden Verletzungen, die zwei der Männer erleiden, verlangen schnellstmögliches Handeln. Und so rufen die SEALS gepanzerte Verstärkung und Unterstützung aus der Luft, um die Verwundeten in Sicherheit zu bringen. Desorientierung, Hektik und die Frage, was all jene in Walkie-Talkies gebrüllten Abkürzungen, Satzfragmente und Statusmeldungen nun konkret bedeuten mögen, bestimmen die Zuschauererfahrung der A24-Produktion, die sich was konkretes politisches Messaging angeht, auffallend zurückhält.

Was den Einsatztrupp junger Männer in den Irak gebracht hat, welche politischen Umstände oder Hintergründe zu ihrer Stationierung geführt haben, sind Fragen, die in „Warfare“ unbeantwortet bleiben. Der Titel allein ist das Programm des Filmes, der in fast körperlich erfahrbar macht, was es bedeutet im Krieg zu sein. In dieser Intensität war das auf der Kinoleinwand so wohl noch nicht erfahrbar. Garlands und Mendozas rund 90-minütige, Schwindel bereitende Kampfchoreografie ist bis ins kleinste Detail ausgearbeitet, wobei besonders die Leistungen von DOP David J. Thompson und Production Designer Mark Digby hervorzuheben sind. Der entschiedene Bruch mit Konventionen des Kriegsfilmgenres lässt eine Reduktion auf das Wesentliche der Kriegserfahrung zu. Hier gibt es keine Romantisierung, kein Kämpferpathos, keine Heldenstilisierung und keine triumphale Filmmusik – lediglich die Erfahrung von ein paar viel zu jungen Männern, die ums Überleben kämpfen.

Chris Schinke

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