Blickpunkt:Film

Kino

Etwa ein Vierteljahrhundert arbeitete [Heinrich Sabl](/person/heinrich-sabl) an seinem ersten Langfilm [„Memory Hotel“](/movie/memory-hotel) – jetzt kann er sein Projekt, das am 30. Oktober in den deutschen Kinos startet, dem Publikum präsentieren. Ein Gespräch über Animationsfilme in Deutschland, seinen persönlichen Bezug zu der Geschichte des Films und das Hotel als Mikrokosmos.  

**Es handelt sich bei „Memory Hotel“ um Ihren ersten Langfilm – wie sind Sie ursprünglich zum Film, bzw. insbesondere zum Animationsfilm gekommen?**

Ich habe an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch, damals noch in Ostberlin, studiert. Dort habe ich Anfang der 80er Jahre Puppenspiel studiert, was nicht so weit weg vom Animationsfilm ist. Ich sage dazu auch nie Stop Motion, sondern Figurenanimation – insofern war der Switch von der Bühne zur Kamera gar nicht so weit.

**Trotzdem hat man oft das Gefühl, dass der deutsche Animationsfilm doch eher eine Randerscheinung ist.**

Ich finde, es gibt hierzulande schon relativ viele Animationsfilme, die aber eher ein Schattendasein fristen. Animation hat es wirklich schwer in diesem Land. Ich bin eng vernetzt mit der AG Animationsfilm und auch die Geschäftsführerin dieser AG ist der Ansicht, dass es ganz schwierig in Deutschland ist mit Animation Fuß zu fassen.

**Würden Sie sich also mehr Sichtbarkeit bzw. Unterstützung für Animationsfilme wünschen?**

Ja, mehr Sichtbarkeit und mehr Mut. Es klingt immer ein bisschen abgedroschen, aber Mut und Neugier, gerade von den Entscheidungsträgern, sind einfach wichtig. Es ist natürlich schwierig eine Animationsgeschichte zu beschreiben: Man kann Storyboards und Visualisierungshilfen erstellen, aber auch das ist schon unfassbar aufwändig. Ich würde mir wünschen, dass Entscheidungsträger mehr auf die Ideen vertrauen und daran glauben, dass sich Animationsfilmschaffende ihrer Mittel bewusst sind. Ich selbst bin für „Memory Hotel“ gefördert worden, wofür ich sehr dankbar war – aber diese Förderungen liegen 10-20 Jahre zurück. Die gesamte restliche Zeit habe ich keine Unterstützung erhalten, was ich auch mit Lebenszeit bezahlt habe.

![Memory Hotel (Credit: Neue Visionen)](https://s3.eu-central-1.amazonaws.com/zone.busch.store.image/f5f7a8dd-8a0f-4687-9285-098be3e904c2.jpg)

**Insgesamt 24 Jahre haben Sie an „Memory Hotel“ gearbeitet – hatten Sie je überlegt, zwischenzeitlich ein anderes Projekt umzusetzen oder die Arbeit daran gänzlich abzubrechen?**

Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass die Fertigstellung dieses Films jeden Tag neu auf der Kippe stand. Es ist ein Wunder, dass es „Memory Hotel“ gibt. Und interessanterweise sind die Widerstände zum Schluss immer stärker geworden. Dieser Film ist mit vielen Zweifeln und Ängsten meinerseits verbunden. Letztendlich weiß ich auch nicht genau, wie das Filmemachen funktioniert. Ich forsche, probiere aus und irre mich, das gehört zu diesem Prozess dazu. Natürlich gibt es auch Momente, wo man sich denkt, man könnte jetzt auch etwas anderes machen… Aber die Geschichte, die Gestaltung der Figuren und alles Weitere waren für mich so stark, dass ich immer Lust hatte, an diesem Film zu arbeiten.

**Inwiefern haben sich die Story oder Figuren im Verlauf der langen Zeit, die der Film beansprucht hat, verändert?**

Ich habe zwar keine andere Richtung mit der Geschichte eingeschlagen als ursprünglich geplant, aber es gab eigentlich ein anderes Ende. Das habe ich aber dann geändert, weil die Realität quasi in den Film hineingebrochen ist. Der Einmarsch der Russen in die Ukraine hat nicht mehr mit der Filmhandlung korrespondieren können, deshalb habe ich den Schluss verändert. Für mich haben Animationsfilme einen ganz starken Modellcharakter; ich habe mich da nie an Tagespolitik aufgehalten, sondern immer geschaut, welche Schichten es in der Tiefe gibt, die man bedienen kann. Ich musste darauf vertrauen, dass diese Geschichte alltagstauglich ist, auch wenn sie etwas erzählt, was schon lange her ist.

![Heinrich Sabl bei der Arbeit an „Memory Hotel“ (Credit: Neue Visionen)](https://s3.eu-central-1.amazonaws.com/zone.busch.store.image/dc1b3a78-aadd-490f-b0c2-c5b8b80a7806.jpg)

**Was hat Sie so daran gereizt, eine Geschichte über das Nachkriegsdeutschland zu erzählen?**

Meine eigene Biografie. Ich bin Anfang der 60er Jahre geboren, das heißt meine Eltern und Großeltern haben den Krieg und die Zeit unmittelbar danach miterlebt. Und in der DDR, wo ich gelebt habe, waren die Nähe zu Russland und der propagierte Antifaschismus so etwas wie Staatsdoktrin. Das trägt man ein Leben lang als DNA mit sich. Mit meinem Film habe ich dann in sehr abstrakter Form von dieser Zeit erzählt, weshalb auch einige der Figuren autobiographische Züge von mir haben.

**„Memory Hotel“ spielt, wie es der Titel schon verrät, komplett in einem Hotel. Was hat Sie so an diesem Mikrokosmos als Schauplatz fasziniert?**

Wir leben, finde ich, alle in so einem Hotel. Der ganze Globus ist ein Hotel, wir sind nur auf Zeit hier – dann ziehen die Ideologien ein und wieder aus wie Gäste. So ist das im Film auch, erst kommt eine Ideologie, dann die nächste… Ich hatte zuvor zwei Kurzfilme gemacht, die hießen beide „Ubu“, nach der Geschichte von Alfred Jarry. Da habe ich gemerkt, dass ich einen Ort brauche, wo ich all die Protagonisten, die mir im Kopf herumschwirren, miteinander vereine. Das Hotel ist etwas Komprimiertes, was man auch überall auf der Welt kennt. Manche wollen das Hotel gar nicht verlassen, auch das kommt in dem Film vor.

![Memory Hotel (Credit: Neue Visionen)](https://s3.eu-central-1.amazonaws.com/zone.busch.store.image/365153ec-98dd-49e7-8543-55986288c569.jpg)

**Sie sagten selbst einmal, dass für Sie das eigentlich Wichtige an einem Film, die Zeit nach der Veröffentlichung und der Austausch sind. Wie zufrieden sind Sie bisher mit diesem Austausch?**

Ich habe ja bereits erzählt, dass die eigentlichen Hürden nach der Fertigstellung kamen: Ich dachte ursprünglich, dass ich den Verleih selbst machen muss und auch die Festivals haben „Memory Hotel“ nicht angenommen. Es gab auch sehr viel Kritik. Man macht mit einem Film ja immer ein Gesprächsangebot und in meinem Fall habe ich da sehr viel Ablehnung erhalten. Mit der Zeit lernt man dann, damit umzugehen. Und inzwischen hat sich auch einiges Positives getan und der Film lief bereits auf einigen internationalen Festivals. Andererseits finde ich es auch wirklich gut, wenn es Kritik gibt, ich will ja nicht nur hören, dass ich alles toll gemacht habe. Und ich hatte auch schon Erlebnisse, wo Menschen erzählt haben, dass der Film an die eigene Familiengeschichte andockt – das ist wirklich schön. Da weiß man dann: Dafür hat man diesen Film gemacht.

**Planen Sie nach diesem Mammutprojekt noch einen weiteren Film?**

Ich habe so viel über den komplexen Prozess des Filmemachens gelernt, da wäre es schade dieses Wissen einfach wegzuwerfen. Aber natürlich stellt sich die Frage, wer ein neues Projekt finanzieren würde. Wenn ich eine Förderung bekomme, dann könnte ich mir auf jeden Fall einen weiteren Film vorstellen. Und eine zweite Sache, die bei „Memory Hotel“ extrem wichtig war: Es braucht ein starkes Sujet, also eine starke Geschichte, auf die ich jeden Tag während der Produktion richtig Lust habe.

*Das Gespräch führte Lea Morgenstern.*

Heinrich Sabl zu „Memory Hotel“: „Es ist ein Wunder, dass es diesen Film gibt“