Blickpunkt:Film

Kino

„Forrest Gump“-Reunion und erzählerisch eigenwilliges Experiment um das Leben eines Paars. [Robert Zemeckis](/person/robert-zemeckis) beweist auch in seinem neuen Kinofilm ein Händchen für die richtige Mischung.  

Die Darsteller [Tom Hanks](/person/tom-hanks) und [Robin Wright](/person/robin-wright), plus dem Erfolgsregisseur Robert Zemeckis – das klingt nach einer allzu gut bewährten Kino-Gleichung und Formel. 1994 kam das Hollywood-Gespann zuletzt zusammen, das Oscar-prämierte Comedy-Drama „Forrest Gump“ war das Ergebnis. Der kulturelle Impact des Films ist auch 30 Jahre später noch zu spüren. So viel persifliert und zitiert zu werden, das schaffen nur die ganz Großen. Mit „[Here](/movie/here_0)“ kehrt nun das Erfolgsgespann Zemeckis-Hanks-Wright auf die Kinoleinwand zurück. Mit einem Film, der auf den ersten Blick ganz anders zu sein scheint als der gemeinsame „Forrest Gump“, und auf den zweiten Blick doch viel mit ihm gemeinsam hat. 

Ausgangspunkt der ungewöhnlichen Erzählung ist das stets gleiche Wohnzimmer, gefilmt aus dem immer selben Blickwinkel in einem Zeitraum, der Jahrzehnte umfasst, Jahrhunderte, und schließlich ganze Erdzeitalter. Erzählerische wie technische Tricks gehören dabei abermals zum festen Repertoire des Regisseurs und Drehbuchautors, der gemeinsam mit Eric Roth das Skript beisteuert. „Here“ basiert auf der Graphic-Novel-Vorlage des Künstlers Richard McGuire und ist konsequent an einemOrt gefilmt, dem Heim der Familie um Richard (Tom Hanks) und Margret (Robin Wright), denen wir als Zuschauer von ihrem Kennenlernen im Teenageralter bis ins Greisenalter folgen. Eingerahmt ist die Familiengeschichte durch ein historisches Geschehen, das sich vor der Existenz des Familienheims zutrug, hierbei verschlägt es die Erzählung in kurzen erzählerischen Vignetten in die Vorzeit der Dinosaurier sowie in die Zeit der Besiedelung des amerikanischen Kontinents durch Weiße. Erzählerische Vignetten ereilen uns Zuschauer auch aus der jüngsten Zeit, in der eine schwarze Familie, während der Covid-Pandemie das Heim bezieht, nachdem Magret und Richard ausgezogen sind. Das Ganze ist unheimlich schnell geschnitten, die kurzen Erzähleinheiten teils nur ein paar Sekunden lang, Augenblicke, die aber genug Eindrücke zulassen, um sich zu einem emotional bewegenden erzählerischen Ganzen zu fügen. 

Regisseur Robert Zemeckis („Zurück in die Zukunft“, „Apollo 13“, „Cast Away“) gelingt dabei ein markanter wie eigenwilliger Experimentalfilm im großen Hollywood-Format. Bisweilen wirkt „Here“ dabei etwas zu vollgepackt, der ein oder andere Abstrich beim geschichtlich weit ausgreifenden Handlungsraum hätte der Erzählung bei größerer Konzentration auf das Wesentliche der Familienerzählung gutgetan. Für Robert Zemeckis ist „Here“ aber ein filmisches Herzensprojekt, das man als Zuschauer und Filmliebhaber für seine Eigenwilligkeit eigentlich nur goutieren kann. Sein „Forrest Gump“ setzte 1994 Maßstäbe bei der Realisation digitaler Tricktechnik im realistischen Erzählen. Auch im Alter von 72 Jahren umarmt der Regisseur die VFX-Möglichkeiten seiner Zeit. Tom Hanks und Robin Wright werden den Erfordernissen des Storytellings entsprechend geaged und deaged. Nach künstlichem „Uncanny Valley“ sieht das mittlerweile nicht mehr aus. „Here“ zeigt auch unter diesem Aspekt, was im Kinoerzählen in den kommenden Jahren möglich sein wird. Die großen emotionalen Gesten des Films – getragen von den zarten wie mitreißenden Harmonien des Komponisten Alan Silvestri – mögen manche kitschig finden, Robert Zemeckis aber besaß immer schon ein Händchen für die richtige Mischung. Emotional zugängig, optimistisch und von universellen menschlichen Gefühlen handelnd, erweist sich auch „Here“ wieder als cineastischer Glücksfall.  

Chris Schinke

REVIEW KINO: „Here“ von Robert Zemeckis