Blickpunkt:Film

Kino

**Herr Fehlbaum, Oscar-Nominierung, Preisregen beim Deutschen Filmpreis, jetzt der Award in Mannheim. Wie hast du dieses erfolgreiche Jahr erlebt?**

**Tim Fehlbaum:** Gute Frage. Ziemlich genau vor etwas mehr als einem Jahr hat die Reise mit „[September 5](/movie/september-5)“ begonnen. Im Nachhinein wirkt das wie ein großer, verrückter Ritt – wie schnell dieses Jahr vergangen ist und wie überwältigend es war. Aktuell bin ich dabei, diese Zeit Revue passieren zu lassen. Es tut gut, dass ich mit den Produzenten [Thomas Wöbke](/person/thomas-woebke_1) und [Philipp Trauer](/person/philipp-trauer), sowie dem Autoren [Moritz Binder](/person/moritz-binder) schon an einem neuen Projekt arbeite – das hilft, damit nach so einer aufregenden Reise nicht die große Leere kommt. Natürlich fragt man sich: „Wie geht es jetzt weiter?“ Und das Beste ist dann, sich einfach wieder etwas Neuem zu widmen. 

![Der Film, der Tim Fehlbaums erfolgreiches Jahr prägte: „September 5“ (Credit: Constantin Film)](https://s3.eu-central-1.amazonaws.com/zone.busch.store.image/abe30b75-c378-48fc-9b4e-37f0413e5d61.jpg)

**Du reflektierst gerade viel. Einen ganz besonderen Blick in die Vergangenheit wirst du werfen, wenn dir am 8. November der Grand [IFFMH](/company/iffmh-filmfestival-mannheim-ggmbh) Award verliehen wird – im Zuge dessen wird auch dein Debütfilm „Hell“ gezeigt. Wie ist es für dich, nach mehr als zehn Jahren zu diesem Film zurückzukehren?**

**Tim Fehlbaum:** Das wird in Mannheim etwas ganz Besonderes. Für mich fühlt es sich an wie ein schöner Schlusspunkt dieser Reise mit „September 5“. Auch beim Hessischen Filmpreis hatten wir kürzlich einen großartigen Abend voller Bestätigung. Besonders an Mannheim ist, dass es nicht nur mit meinem Debüt „[Hell](/movie/hell_7)“, sondern auch mit meinem letzten Film „[Tides](/movie/tides)“ verbunden ist – das freut mich natürlich sehr. Lustigerweise wird mich bei der Masterclass am 7. November jemand interviewen, der mich schon lange begleitet: [Tim Moeck](/person/tim-moeck). Ich habe mich sehr gefreut, als mir Sascha Heilholz erzählt hat, dass er es sein würde. Tim war früher Kommilitone und Mitbewohner aus meiner [HFF](/company/hochschule-fuer-fernsehen-und-film-hff-muenchen-abt-iii)-Zeit.

 Ich habe mich damals viel über meine konzeptuelle Idee zu „Hell“ mit ihm ausgetauscht, und er hat mich ermutigt, einen postapokalyptischen Science-Fiction-Thriller in Deutschland, auf Deutsch, zu machen – was damals, noch vor Serien wie „[Dark](/tvshow/dark)“, ein ziemlich absurder Vorschlag war. Ich wollte einen Genre-Film drehen, der aber absolut hochkarätig besetzt ist und mit einem einem gewissen Arthouse-Flair daherkommt. Mit dokumentarischem Realismus. Ich habe in meiner Studienzeit viel Kamera gemacht bei Dokumentarfilmen. Diese Erfahrungen wollte ich im Genre-Kontext aufgreifen. 

![Hannah Herzsprung in Tim Fehlbaums Debütfilm „Hell“ (Credit: Paramount)](https://s3.eu-central-1.amazonaws.com/zone.busch.store.image/4e61febd-5528-428f-8ecd-f174d680cf33.jpg)

Tim hat mich immer darin bestärkt, meinen eigenen Weg zu gehen. Ich hatte zuvor einen kleinen Kurzfilm – eine Art Proof of Concept, ein Mini-Zombie-Film, superschnell an einem Wochenende gedreht. So etwas wollte ich in Langform machen. Tim brachte mich dann mit Thomas Wöbke in Kontakt. Thomas sah den Kurzfilm und sagte: „Das finde ich interessant, ich könnte mir vorstellen, das zu machen.“ 

Eine große Hürde war damals noch, dass im Skript eine weibliche Hauptfigur vorgesehen war. Ich musste an vielen Fronten dafür kämpfen. Immer wieder hieß es: „Macht die Hauptfigur doch zu einem Mann.“ Aber mir war das wichtig. Ich habe vier Schwestern – dass die Geschichte aus einer weiblichen Perspektive erzählt wird, war für mich essentiell. 

Dann sah ich in [Hof](/company/internationale-hofer-filmtage) „[Vier Minuten](/movie/vier-minuten)“ mit [Hannah Herzsprung](/person/hannah-herzsprung). Ihre Performance hat mich so beeindruckt, dass ich dachte: Für diese Schauspielerin will ich diesen Film schreiben. Dann konnten wir auch noch [Lars Eidinge](/person/lars-eidinger)r gewinnen und [Angela Winkler](/person/angela-winkler), meine absolute Traumbesetzung für die Antagonistin. Ich bin sehr gespannt, „Hell“ in Mannheim wiederzusehen. 

**Im Fokus deiner Masterclass wird „Tides“ stehen, dein Schritt auf die internationale Bühne. Worauf wirst du dabei deinen Schwerpunkt legen?**

**Tim Fehlbaum:** Ich glaube, es wird viel ums Handwerkliche gehen. Im Rahmen von „Tides“ habe ich das Team gefunden, mit dem wir auch „September 5“ gemacht haben. Zwar hatten viele von uns schon bei „Hell“ zusammengearbeitet, und auch dort mussten wir enorme produktionstechnische Herausforderungen meistern. Bei „Tides“ haben wir uns dann wirklich als Einheit gefunden – mit Production Designer [Julian Wagner](/person/julian-r-wagner), Kostümbildnerin [Leonie Zyan](/person/leonie-zykan), Maskenbildnerin [Sabine Schumann](/person/sabine-schumann) und natürlich Komponist [Lorenz Dangel](/person/lorenz-dangel) und Kameramann [Markus Förderer](/person/markus-foerderer), mit dem ich ohnehin alle meine Filme gemacht habe. Oder auch Editor [Hansjörg Weissbrich](/person/hansjoerg-weissbrich_8), der nicht nur entscheidend für die Dichte des Films war, sondern mit seinem Feingefühl für mich auch ein unglaublich wichtiger inhaltlicher Kollaborateur war.
Ich bin sehr stolz auf die Leistung all dieser Gewerke. „Tides“ hat gezeigt, dass wir gemeinsam auch ein Projekt wie „September 5“ stemmen können. Insofern wird es in der Masterclass darum gehen, wie „Tides“ ein wichtiger Schritt war, um „September 5“ möglich zu machen – auch in der Erkenntnis, dass „Tides“ vielleicht eine Nummer zu groß war. Mit den Produzenten Thomas Wöbke und Philipp Trauer haben wir uns danach darauf besonnen, etwas Kleineres zu machen. Und dann kam Moritz Binder als Autor dazu – das war der Startschuss. 

![Tim Fehlbaums bildgewaltiger zweiter Spielfilm „Tides“ wird Thema seiner Masterclass (Credit: Constantin Film)](https://s3.eu-central-1.amazonaws.com/zone.busch.store.image/a50bedf7-c247-4411-86ce-c496ec2ca3bd.png)

„September 5“ war zunächst größer angelegt, aber wir merkten bald, dass das Budget dafür nicht zu stemmen sein würde. Auch ich war mir in manchen Dingen inhaltlich unsicher, ob ich darüber wirklich genug verstehe um eine Geschichte dazu zu erzählen. Aus der Not haben wir eine Tugend gemacht, das Projekt verkleinert – und daraus Stärke gezogen. Wir konnten das Thema dadurch sogar präziser und intensiver erzählen. 

**Du hast Moritz Binder schon angesprochen, der ebenfalls in Mannheim zu Gast sein wird. Ihr wart gemeinsam mit Alex David bei den Oscars. Was macht die Zusammenarbeit mit Moritz für dich so besonders?**

**Tim Fehlbaum:** Zunächst einmal möchte ich sagen, dass das mit der Oscar Nominierung natürlich sehr aufregend war, aber das absolute Highlight dieser Reise und die schönste Bestätigung war der deutsche Filmpreis, da hier das ganze Team gewürdigt wurde. Die Oscar-Nominierung war zwar fürs Drehbuch – aber auch die sehe ich stellvertretend für die Leistung des gesamten Teams. Für alle vor und hinter der Kamera, die alle mit so viel Herzblut an diesem Film gearbeitet haben: unser wunderbares Ensemble, allen voran die großartige Leonie Benesch, Kameramann Markus Förderer, Szenenbildner Julian Wagner, Kostüm, Maske, Produktionsleiter [Mark Nolting](/person/mark-nolting) und natürlich unsere Produzenten.  

![Tim Fehlbaum und Moritz Binder konnten diverse Preise für „September 5“ feiern, u.a. neun Deutsche Filmpreise (Credit: Eventpress Fuhr)](https://s3.eu-central-1.amazonaws.com/zone.busch.store.image/abd32cca-c3c9-4fbb-8156-b70777ba8b28.jpg)

Moritz ging auf dieselbe Filmschule wie ich, und wir kannten uns schon flüchtig. Thomas Wöbke war es letztlich, der mit seinem Gespür für Teamkonstellationen Moritz und mich zusammengebracht hat. Moritz ist unglaublich. Er hat eine große Ernsthaftigkeit, mit der er über Stoffe nachdenkt. Er kommt aus dem Dokumentarfilm, was bedeutet, dass er, bevor er überhaupt ein erstes Wort schreibt, intensiv recherchiert. Das war gerade bei „September 5“ nach zwei eher fantastischen Filmen besonders wichtig – alles sollte absolut authentisch sein. 

Moritz’ Motto war „Recherche, Recherche, Recherche“ – und das war genau richtig. Außerdem ist er wahnsinnig schnell, was banal klingt, aber einen großen Unterschied macht. Er verbindet einen hohen Wahrheitsanspruch mit dem Wunsch nach großem Kino und Spannung. So ergab sich eine tolle Zusammenarbeit – selbst auf sonst mühsame Schreibsessions habe ich mich mit Moritz gefreut. 

**„September 5“ war deutlich kleiner als deine vorherigen Filme, aber auch thematisch ganz anders. Reizt es dich, weiterhin eine politische Stoßrichtung zu verfolgen? Oder wirst du mit deinem nächsten Projekt eher zu deinen Genre-Wurzeln zurückkehren?**

**Tim Fehlbaum:** Ich habe dem Genre-Kino und der Science-Fiction definitiv nicht abgeschworen. Ich liebe es immer noch, solche Filme zu sehen, und kann mir gut vorstellen, wieder in diesem Bereich zu arbeiten. Aber auch die Arbeit an einem Stoff, der auf einer wahren Begebenheit beruht, hat mir sehr gefallen – vor allem die Recherchearbeit und die Herausforderung, einen historischen Film zu machen, der sich nicht historisch anfühlt. 

Eine der größten Lektionen aus „September 5“ war für mich, dass gerade in der Begrenzung der Perspektive eine Stärke liegen kann. Ursprünglich wollten wir aus mehreren Perspektiven erzählen, aber – aus Budgetgründen und weil ich bei manchen Strängen kalte Füße bekommen habe – haben wir uns für die Reduktion entschieden. Das war rückblickend die beste Entscheidung. 

Dass „September 5“ eine politische Dimension hat, hat mich ebenfalls gereizt – und das wird mich sicher auch künftig reizen. Vor allem will ich weiterhin für Spannungskino stehen. Ich möchte dem Publikum keine Meinung aufzwingen, sondern durch eine packende Handlung und mitschwingende politische Themen zum Nachdenken anregen. 

**Danke für das Gespräch!**

*Das Interview führte Damian Sprenger*

Tim Fehlbaum: „Ein schöner Schlusspunkt einer aufregenden Reise“